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Beyond Budgeting: jenseits der Budgetierung

Alle Jahre wieder das gleiche Spiel: In den Unternehmen werden die Budgets geplant, und zwar mit hohem Aufwand. Controller sollen bis 50 Prozent ihrer Zeit investieren, Manager bis zu 20 Prozent, sagt das Controlling Portal und verweist auf empirische Studien.

So oder so geht viel produktive Zeit verloren. Und nicht alles verläuft so, wie es sein sollte: In den Abstimmungen, Verhandlungen und Diskussionen geht es längst nicht nur um das Vorankommen des Unternehmens. Einzelne oder Abteilungen versuchen mit allen Mitteln, ihren Status zu erhalten.

„Zu starr, zu unflexibel, zu wenig zielführend“, sagen deshalb die Kritiker der klassischen Budgetierung. Zudem weiß niemand, wie aussagekräftig die Planungsgrößen des Sommers 2019 im Sommer 2020 noch sind – und ob die Ziele überhaupt noch gelten.

Eine starre Budgetierung kollidiert mit den betrieblichen Anforderungen der Gegenwart: In digitalen und agilen Zeiten ist deutlich mehr Flexibilität gefragt.

Beyond Budgeting

„Beyond Budgeting“ folgt einer radikal anderen Idee von Budgetierung. Sie harmoniert gut mit agilen Denkansätzen und wird vom „Beyond Budgeting Round Table“ (BBRT) in Europa und Nordamerika vorangetrieben.

Der Fokus liegt auf dem Markt und der Unternehmensentwicklung. Deshalb werden Budgets nicht mehr jährlich zugesagt, sondern entlang der Marktentwicklungen und Chancen unterjährig vergeben. Ein Budget-Verantwortlicher muss seinen Bedarf immer wieder neu begründen und verteidigen.

Beyond Budgeting funktioniert auf keinen Fall einfach so auf Knopfdruck, vielmehr wirkt sich die Art der Budgetierung grundlegend das Verständnis von Führung, Verantwortung, Orientierung, Handeln aus. Genau genommen stellt es vertraute Muster auf den Kopf: Der Top-down-Ansatz wird aufgegeben, dafür werden Entscheidungen und die Steuerung dezentralisiert.

Zwölf Prinzipien stellen den Rahmen für Budgets „jenseits der Budgetierung“:

  • Werte: Das Unternehmen wird mit einigen wenigen klaren Werten, Zielen und Grenzen gelenkt. Detaillierte Regelwerke haben ausgedient.
  • Verantwortung: Die Mitarbeiter sind aufgerufen, verantwortlich und unternehmerisch zu denken und zu handeln.
  • Selbständigikeit: Die Teams haben die Freiheit und den Raum zum Handeln, ohne Mikro-Management von oben.
  • Organisation: Das Unternehmen ist als Netzwerk mit ergebnisverantwortlichen Teams organisiert, nicht als zentralistische, funktional aufgeteilte Pyramide.
  • Kundenfokus: Die Mitarbeiter richten ihre Aufmerksamkeit auf ihre Kunden, nicht auf Hierarchie und Machtbeziehungen.
  • Transparenz: Die Mitarbeiter benötigen für ihre Selbststeuerung Informationen. Diese sind deshalb offen zugänglich.
  • Ziele: Anstelle von fixierten Leistungs­verträgen mit Mitarbeitern („Zielvereinbarungen“) treten relative Ziele für die kontinuierliche Verbesserung.
  • Belohnung: Der Erfolg wird am Erfolg des Teams gemessen, nicht an den Ergebnissen einzelner Mitarbeiter.
  • Planung: Anstelle eines jährlichen Top-down-Events tritt ein kontinuierlicher Prozess.
  • Ressourcen: Ressourcen werden nicht gebunkert oder zugesprochen, sondern verteilt, wenn sie benötigt werden.
  • Koordination: Die Zusammenarbeit richtet sich nach Marktdynamiken, nicht nach Planungszyklen.
  • Kontrolle: Die Kontrolle erfolgt mit Bezug auf Indikatoren, Trends und Soll-Ist-Vergleichen, nicht auf Planabweichung.

Beyond Budgeting in der Praxis

Für den Alltag bedeutet Beyond Budgeting zum Beispiel:

  • Abbau der Top-down-Hierarchie: Die Verantwortung liegt auf der niedrigstmöglichen Hierarchie-Ebene. Dort sind Kompetenz und die Bereitschaft zum Handeln am größten.
  • Dezentralisierung und lokale Autonomie: Das zentrale Management gibt die Verantwortung ab. Dafür sollen das mittlere und untere Management Lösungen und Alternativen finden, Handeln und Entscheiden.
  • Weniger Bürokratie: Die Dezentralisierung hat kürzere Entscheidungswege zur Folge. Entscheidungen können schneller getroffen werden. Die Organisation kann flexibler auf Anforderungen reagieren.
  • Mehr Motivation: Wer gefragt wird und gestalten darf, bringt sich ein. Die Mitarbeiter werden dauerhaft zu Leistung motiviert, wenn sie eingebunden sind.
  • Strategische Orientierung: Ziele, Entscheidungen und Anreizsysteme zahlen sinnvoll und nachvollziehbar auf die Unternehmensziele ein.

So zumindest sieht es im Idealfall aus. In der Praxis ist die neue Art der Budgetierung jedochnicht frei von Hürden und dem Risiko unerwünschter Folgen:

  • Sind Führungskräfte bereit, Verantwortung abzugeben? Trauen sie ihren Mitarbeitern? Teilen sie Informationen und geben sie Macht aus der Hand?
  • Sind Mitarbeiter bereit und in der Lage, die neue Verantwortung auszufüllen? Oder verstecken sie sich lieber hinter dem Rücken ihrer Führungskräfte?
  • Handeln die unternehmerischen Einheiten nur noch in ihrem eigenen Sinne oder im Sinne des Unternehmens als Ganzes?
  • Was passiert, wenn die Interessen der Einheiten einander zuwider laufen? Unterschiedliche Interessen und Schwerpunkte können gut begründet und nachvollziehbar sein.
  • Wie wirkt sich die offene Informations- und Kommunikationspolitik auf das Betriebsklima aus? Entsteht ein zerstörerischer Wettbewerb?
  • Die Budget-Vergabe soll sich an Benchmarks und Indikatoren orientieren: Gibt es die überhaupt? Wer beschafft sie?
  • Erhöhte Anforderungen an die IT: Controlling, verstanden als ständiger Prozess, verlangt nach laufenden Zugriffsmöglichkeiten auf aktuelle und richtige Zahlen, aufbereitet in einer Weise, die falschen Entscheidungen und Interpretationen entgegenwirken.

Erfahrungen

Die umfangreichen Folgen für die Kultur und Organisation führen dazu, dass Beyond Budgeting in Deutschland nur zögerlich umgesetzt wird. Ein Pionier ist der dm-drogerie markt.

Als Handels­unternehmen und Filialbetrieb profitiert dm von günstigen Voraussetzungen. Filialen und Niederlassungen sind ausreichend homogene Leistungseinheiten, die eigenverantwortliche Zellen zu bilden.

Den Filialleitern von dm wurden schon Anfang der 1990er Jahre weitreichende Entscheidungsbefugnisse eingeräumt. Die Mitarbeiter sind in eigener Verantwortung tätig, während die Zentrale die Rolle eines Dienstleisters einnimmt, der den Filialen den Alltag so einfach wie möglich macht (vgl. Dillerup/Stoi, 2011, S. 580). Das Unternehmen fährt gut mit seiner Entscheidung: Statista meldet: „Der Umsatz der Drogeriemarktkette dm ist in den letzten zwölf Jahren permanent gestiegen.“ (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/233002/umfrage/umsatzentwicklung-des-dm-konzerns-weltweit-und-in-deutschland/)

Doch lässt sich das Beispiel einfach so auf andere Unternehmen übertragen, zum Beispiel auf die Industrie?

„Industrieunternehmen … sind durch hohe Stückzahlen, Produktstandardisierung, mittlere bis lange Produktlebenszyklen und hohe langfristige Investitionen geprägt“ kommentiert zum Beispiel der IWW. Beyond Budgeting gilt deshalb als nicht praxisnah.

Muss es so bleiben? In vielen Branchen sind Unternehmen durch den Wettbewerb gezwungen, schneller als bisher zu reagieren und sich flexibler aufzustellen. Auch der Handel hat tief greifende Änderungen hinter sich und war gezwungen, sich umzustellen. Die Zeiten halbjährlich erscheinenden Versandhauskataloge sind vorüber. Otto zum Beispiel hat sich vom klassischen Versandhandel zum digitalen Unternehmen entwickelt und die umfassende organisatorische Veränderung vollzogen.

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  • Budgetaufbau mit fixer und variabler Betragstrennung
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Quellen

Moderne Planung und Budgetierung, Controlling-Portal, Abruf am 17.12.2019,  https://www.controllingportal.de/Fachinfo/Budgetierung/Moderne-Planung-und-Budgetierung.html

Max Controlling. Der Controlling Blog, Abruf am 17.12.2019, http://www.maxcontrolling.de/blog/515-better-beyond-budgeting-alternativen-2/

Macht Beyond Budgeting Unternehmen flexibler? Business Wissen, Abruf am 17.12.2019, https://www.business-wissen.de/artikel/budgetplanung-macht-beyond-budgeting-unternehmen-flexibler/

Die Budgetierung verbessern oder abschaffen? Better vs. Beyond Budgeting. IWW, Abruf am 17.12.2019, https://www.iww.de/bbp/archiv/massgeschneiderte-planung-und-kontrolle-die-budgetierung-verbessern-oder-abschaffen-better-vs-beyond-budgeting-f23717

Beyond Budgeting, Wikipedia, Abruf am 17.12.2019, https://de.wikipedia.org/wiki/Beyond_Budgeting

OTTO: Vom Internet-Pionier zum digitalen Unternehmen, Haufe Verlag, Abruf am 17.12.2019, https://www.haufe.de/controlling/controllerpraxis/otto-vom-internet-pionier-zum-digitalen-unternehmen_112_426608.html

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