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Gesamtkostenverfahren, Umsatzkostenverfahren: Vor- und Nachteile

Wie erfolgreich bin ich in meinem Kerngeschäft? Bewege ich mich auf einem guten Pfad – oder bahnt sich ein Umsatzrückgang an? Das herauszufinden ist die Aufgabe der Betriebsergebnisrech­nung. Sie wird einmal monatlich, mindestens aber quartalsweise durchgeführt.
Es gibt zwei Verfahren, das Betriebsergebnis zu bestimmen: das Gesamtkosten- und das Umsatzkostenverfahren. Das Gesamtkostenverfahren ist in Deutschland weit verbreitet. Weshalb jedoch allein das Umsatzkostenverfahren eine wirtschaftliche Fehlentwicklung aufzudecken imstande ist, zeigt dieser Artikel.

Das Gesamtkostenverfahren

Die Idee des Gesamtkostenverfahrens

Im Gesamtkostenverfahren werden alle Kosten­ einer Periode erfasst und den Erlösen gegenübergestellt. Dabei ist es gleich, ob die Produkte, die in der Periode hergestellt wurden und Kosten­ verursacht haben, verkauft wurden oder nicht.

Betriebsergebnis auf Basis der Grundleistungen und Grundkosten

Im Grundsatz gilt: Erlöse – Kosten­ = Ergebnis.

Doch nicht alle Erlöse sind der regulären Geschäftstätigkeit, also dem Kerngeschäft, zuzuordnen. Deshalb bedarf es einer Korrektur. Im Gesamtkostenverfahren gehen allein die Erlöse aus dem regelmäßigen Geschäft ein.
Auch auf der Kosten­seite gibt es Korrekturbedarf, denn nicht alle Kosten­ sind dem eigentlichen Betriebszweck zuzuordnen.
Die Gesamterlöse werden deshalb korrigiert um die neutralen Erträge und neutralen Aufwendungen. Übrig bleiben die Grundleistungen und die Grundkosten. Zu den wichtigsten Grundleistungen zählen die Umsätze.

Beispiel:

Ein Fahrradhersteller hat in der betrachteten Periode 120 Fahrräder zum Preis von 960 Euro verkauft. Die Grundleistungen (oder Umsatzerlöse) betragen:

120 x 960 Euro = 115.200 Euro.

Die Mieteinnahmen aus betriebseigenen Gebäuden bleiben für die Betriebsergebnisrech­nung außer Betracht.

Erlöskorrekturen im Gesamtkostenverfahren

Korrektur um die Lagerbestände

So lange die produzierten Fahrräder direkt in der Betrachtungsperiode abgesetzt werden, liegen die Erlöse und zugehörigen Kosten­ in der gleichen Periode. Doch das ist untypisch. Meist weichen Produktion und Absatz voneinander ab. Das Lager fängt die Abweichungen auf: Je nach Situation wächst das Lager an oder es schrumpft. Diese Lagerbestandsveränderungen müssen betrachtet werden. Dies gilt für fertig produzierte Fahrräder wie für Teile (Halb- und Fertigerzeugnisse).

Das Gesamtkostenverfahren fragt: Welche Werte wurden in der betrachteten Periode geschaffen? Die Bezugsgröße ist die Produktion. Deshalb erhöhen die Halb- und Fertigerzeugnisse, die ins Lager gehen, den Gesamtbetrag der Erlöse. Sie werden zu Anschaffungs- bzw. Herstellkosten bewertet.

Korrektur um Eigenleistungen

Manche Unternehmen produzieren Vermögensgegenstände, die im Zusammenhang mit der Herstellung stehen, aber nicht für den Verkauf bestimmt sind. Beispiele sind Maschinen oder Gebäude. Auch diese werden zu Herstellkosten bewertet und erscheinen im Betriebsergebnis unter der Position „aktivierte Eigenleistungen“.

Der Gesamtbetrag der Erlöse ergibt sich als Summe aus
+ Umsatzerlösen der abgesetzten Produkte
+ Lagerbestandszunahmen an Halb- und Fertigerzeugnisse in der Betrachtungsperiode bewertet zu Herstellkosten
+ Aktivierten Eigenleistungen der Periode bewertet zu Herstellkosten

Kosten­korrekturen

In der Gesamtkostenrech­nung werden die Kosten­ einer Periode nach Kosten­arten erfasst:

Auch bei den Kosten­ sind Korrekturen nötig.

  • Lagerbestandsabnahme: Wurden mehr Fahrräder verkauft als produziert, sinkt der Lagerbestand. Die Lagerbestandsabnahme an Halb- und Fertigerzeugnissen wird zu Herstellkosten erfasst.
  • Abschreibungen: Zugleich werden Abschreibungen erfasst, etwa auf die aktivierten Eigenleistungen.

Im Gesamtkostenverfahren werden als Kosten­ einer Periode erfasst:

  • Materialkosten
  • Lohnkosten
  • Abschreibungen
  • Sonstige Produktionskosten
  • Verwaltungskosten
  • Vertriebskosten
  • Lagerbestandsabnahmen an Halb- und Fertigerzeugnissen zu Herstellkosten

Vor- und Nachteile des Gesamtkostenverfahrens

Das Gesamtkostenverfahren ist in Deutschland beliebt, weil die nötigen Informationen direkt aus der Finanz­buchhaltung übernommen werden können. Es ist also nur wenig aufwendig. Außerdem weist es die Lagerbestandsveränderungen aus.

Die Nachteile überwiegen jedoch.

Der geringe Aufwand des Gesamtkostenverfahrens ist wesentlich darauf zurückzuführen, dass es keiner Kosten­­stellen­- und Kosten­­träger­rech­nung bedarf. Sobald jedoch Lagerbestandsveränderungen ins Spiel kommen, müssen Herstellkosten ermittelt werden. Die Kosten­­stellen­- und Kosten­­träger­rech­nung ist in den meisten Fällen nicht zu vermeiden.

Ein weiteres Problem ist das korrekte Erfassen der Lagerbestände und ihrer Veränderungen. Theoretisch müsste der Fahrradbetrieb für jede Periode eine Inventur durchführen – was praktisch unmöglich ist. Viele Unternehmen setzen deshalb auf Schätzungen. Doch diese können das Betriebsergebnis deutlich verfälschen. Es verliert seine Aussagekraft.

Insofern ist das Gesamtkostenverfahren wenig geeignet, seiner eigentlichen Aufgabe gerecht zu werden – nämlich Entscheidern ein Instrument an die Hand zu geben, anhand dessen sie den Betrieb steuern können. Ob die Umsatzentwicklung stimmt, bleibt nämlich ungewiss. Hätte der Fahrradbetrieb drei verschiedene Fahrradtypen, könnte der Betrieb drei unterschiedliche Erlösquellen ausweisen. Die Kosten­ werden jedoch nicht den einzelnen Produkttypen zugeordnet, sondern pauschal nach Kosten­arten erfasst.

So bleibt für den Entscheider offen, ob seine Produktlinien rentabel sind. Eine Umsatzsteigerung in einer Produktlinie kann zum Beispiel mit noch schneller steigenden Kosten­ erkauft sein. Dies fällt jedoch nicht auf, wenn die Kosten­ auf alle Produktlinien gleichermaßen verteilt werden. Deshalb ist das Gesamtkostenverfahren bestenfalls für kleine Betriebe mit überschaubarem Produktionsprogramm tragfähig.

Umsatzkostenverfahren

Umsatzkostenverfahren – die Idee

Das Umsatzkostenverfahren will die tatsächlichen Aufwände und Erträge einer Periode offen legen. Deshalb werden nur die Kosten­ derjenigen Produkte erfasst, die in der Betrachtungsperiode verkauft wurden. Die Kosten­ gliedert das Umsatzkostenverfahren nach Funktionsbereichen auf.
Doch in dieser einfachen Formulierung stößt auch das Umsatzkostenverfahren an Grenzen der Aussagekraft, weshalb Korrekturen nötig sind.

Das Umsatzkostenverfahren – die Basisrech­nung

Das Umsatzkostenverfahren stellt auf die Erlöse pro Produkttyp ab. Dem gegenübergestellt werden die Kosten­ dieses Produkttyps in der Betrachtungsperiode. Das Betriebsergebnis berechnet sich als Summe aus:

+ (Erlöse Fahrradtyp A – Kosten­ Fahrradtyp A)
+ (Erlöse Fahrradtyp B – Kosten­ Fahrradtyp B)
+ (Erlöse Fahrradtyp C – Kosten­ Fahrradtyp C)
= Betriebsergebnis

Voll- oder Teilkostenrech­nung?

Während die Umsatzerlöse eindeutig zu ermitteln sind, ergeben sich Fragen auf der Kosten­seite: Wie werden die fixen Teile der Herstellkosten behandelt? Die Gemeinkosten? Die Verwaltungs- und Vertriebskosten?

Umsatzkostenverfahren auf Vollkostenbasis

Beim Umsatzkostenverfahren auf Vollkostenbasis werden die vollen Herstellkosten auf die Produkttypen, also die Kosten­­träger­, verteilt.
In unserem Beispiel müssen die drei Fahrradtypen den Gesamtbetrag

  • aus variablen und fixen Herstellkosten,
  • Einzel- und Gemeinkosten der Herstellung
  • sowie die vollen Verwaltungs- und Vertriebskosten

tragen. Aus dem Gesamtbetrag der Kosten­ werden die „Selbstkosten pro verkauftem Stück“ berechnet. Für die Kalkulation ist eine vollständige Kosten­­träger­- und Kosten­­stellen­rech­nung notwendig. Das Kalkulationsschema pro verkauftem Fahrrad sieht so aus:

Einzelmaterialkosten
+ anteilige Materialgemeinkosten
= Materialkosten

+ Fertigungslöhne
+ anteilige Fertigungsgemeinkosten
+ anteilige Sondereinzelkosten der Fertigung
= Herstellkosten

+ anteilige Vertriebsgemeinkosten
+ anteilige Verwaltungsgemeinkosten
+ Sondereinzelkosten des Vertriebs
= Selbstkosten

Die Selbstkosten werden den Erlösen gegenüber gestellt. Das Betriebsergebnis berechnet sich aus:
Umsatzerlöse
– Selbstkosten
= Betriebsergebnis

Nehmen wir an, der Verkaufspreis des Fahrradtyps A liege bei 960 Euro, die Selbstkosten bei 700 Euro pro Stück. Es wurden 200 Stück in der Abrech­nungsperiode verkauft. Dann berechnet sich das Betriebsergebnis des Fahrradtyps A so:

200 x (960 Euro – 700 Euro) = 52.000 Euro.

Die Berech­nung wird für alle drei Fahrradtypen durchgeführt. Die Berech­nung legt offen, wie erfolgreich die Produkttypen des Betriebes sind.

Problem der periodengerechten Verteilung der fixen Kosten­

Material- und Fertigungskosten steigen oder fallen mit der Produktion. Fixe Kosten­ hingegen fallen immer an. Sie sind unabhängig von Beschäftigungsgrad oder Produktionsmenge.

Typische Fixkosten sind Aufwendungen für Miete, Personalkosten (fixe Löhne und Gehälter), Abschreibungen oder Kosten­ für Strom, IT und Wasser.

Fixkosten sollten in voller Höhe der Periode zugerechnet werden, in der sie entstehe sind. Im Umsatzkostenverfahren auf Vollkostenbasis werden sie jedoch der Periode zugerechnet, in der die Kosten­­träger­ verkauft wurden – in unserem Beispiel die Fahrräder. Stehen Fahrräder oder Teile zwei Monate im Lager, gehen die Fixkosten erst mit zweimonatiger Verspätung in die Berech­nung ein.

Beispiel:

Ein Mitarbeiter verwendet drei Stunden Arbeitszeit auf die Fertigung eines Fahrrads. Im Umsatzkostenverfahren auf Vollkostenbasis gehen die drei Stunden erst zum Zeitpunkt des Verkaufs in das Betriebsergebnis ein. Tatsächlich erwartet der Mitarbeiter sein Entgelt jeden Monat.

Das Beispiel zeigt: In einer Abrech­nungsperiode können Kosten­ entstehen, die die Betriebsergebnisrech­nung nicht ausweist.

Bei Lagerbestandsveränderungen gibt das Umsatzkostenverfahren es keine Auskunft darüber, ob der Absatz seines Betriebes in der Betrachtungsperiode erfolgreich war oder nicht. Es bleibt offen, ob die Absatzentwicklung positiv oder negativ ist.

Wieder weiß der Entscheider nicht, wo er in der aktuellen Periode steht.

Umsatzkostenverfahren auf Teilkostenbasis

Beim Umsatzkostenverfahren auf Teilkostenbasis werden den Umsätzen der Berech­nungsperiode zunächst die zugehörigen variablen Kosten­ gegenübergestellt. Damit erhält man den Bruttoerfolg oder Deckungsbeitrag je Kosten­­träger­.

Umsätze
– variable Kosten­
= Deckungsbeitrag

Der Deckungsbeitrag wird für jeden Produkttyp berechnet, in unserem Beispiel für jeden Fahrradtyp.

Als Nächstes werden die gesamten fixen Kosten­ und die gesamten Gemeinkosten der Abrechungsperiode den Umsätzen gegenübergestellt. Die Fix- und Gemeinkosten werden nach einem Schlüssel auf die verkauften Fahrräder umgelegt, sodass jedes verkaufte Fahrrad einen Fix- und Gemeinkostenblock zu tragen hat. So wird vermieden, dass die Fix- und Gemeinkosten auf eine andere Periode verschoben werden.

Vorteile und Nachteile des Umsatzkostenverfahrens

Das Umsatzkostenverfahren setzt eine Kosten­­stellen­- und Kosten­­träger­rech­nung voraus. Die Buchhaltung stellt die notwendigen Daten nicht zur Verfügung.

Zwischen Buchhaltung und Kosten­rech­nung können Differenzen entstehen, zum Beispiel in Bezug auf Erlösschmälerungen. Daraus ergibt sich ein Abstimmungsbedarf. Arbeitet in Betrieb mit Planwerten, sind weitere Abstimmungen sowie die Einrichtung von Differenzkonten nötig.

Das Rech­nungsverfahren an sich ist also aufwändiger. Dafür bedarf es keiner Bestandsfeststellung und damit keiner Inventur.

Der Erfolg wird pro Produktgruppe ausgewiesen. Damit sind Entscheidungen über das Produktprogramm einfacher und schneller möglich. Der Entscheider sieht, ob er sich mit einem Produkttyp auf einem Erfolgskurs bewegt oder nicht. Bei Bedarf kann er gegensteuern.

Das Umsatzkostenverfahren macht es deutschen Unternehmen möglich, sich mit Unternehmen im Ausland zu vergleichen, die etwa nach IFRS bilanzieren. Sie können auf internationaler Ebene Auskunft geben, was die Kapitalbeschaffung vereinfacht.

Unsere Empfehlung

Es gibt einen Grund, weshalb das Umsatzkostenverfahren im weltweiten Vergleich das beliebtere ist: Nur das Umsatzkostenverfahren gibt qualifizierte Auskunft über die Profitabilität von Produktlinien und die Absatzentwicklung im Unternehmen.

Das Umsatzkostenverfahren ist zwar etwas aufwändiger, doch zum Glück müssen Unternehmen nicht mehr auf Karteikarten und Excel-Sheets zurückgreifen. Unsere App „Kosten­rech­nung 365“ bietet mit Blick auf die Kosten­­stellen­rech­nung eine durchgängige Unterteilung in fixe und variable Kosten­ an. Mit der Kosten­­träger­rech­nung haben Sie ein Modul für mehrstufige Deckungs­beitrags­analysen an der Hand.

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